2.5. Ein archaisches Hohlmass in Linear A

In seinen "Annäherungen an Linear" A zeigte Günter Neumann eine auf der Insel Kea gefundene Tasse aus Ton Anm. 1. Sie ist unter der Chiffre KE Zb 5 registriert Anm. 2. Das darauf vorhandene Bildzeichen zeigt eine Tasse mit Henkel und hat in GORILA die Nummer AB 67 Anm. 3.

Neumann vermutete dahinter sowohl ein Logogramm als auch eine Masseinheit. An gleicher Stelle erinnerte er daran, dass Ernst Sitterding für das Zeichen AB 67 den Silbenwert "ki" vorgeschlagen und dabei das seit der Odyssee bezeugte Wort κισσυβιον beigezogen habe. Wer nun eine Verwandtschaft zwischen den Zeichen aus Linear A mit den Urbildern der mesopotamischen Keilschrift vermutet, findet bei Anton Deimel das Wort "kisi" und das zugehörige Keilschriftzeichen mit der Bedeutung "fest stehendes Gefäss" Anm. 4:

Godart und Olivier zeigen das Zeichen AB 67 in einem anderen Fundstück, einem Gefässboden aus Milos. Anm. 5. Dort steht es zusammen mit einem zweiten Linear A-Zeichen, das AB 26 entspricht.

Das frühkretische Zeichen AB 26 sieht ähnlich aus wie das mesoptamische Zeichen GEŠTU.

Als "ta-la" steht das Zeichen GEŠTU nach Deimel für ein Hohlmass von 6 bán Anm. 6:

Damerow und Englund erwähnen 6 bán unter den Getreidehohlmassen im alten Vorderen Orient mit einem Wert von "etwa 54 l" Anm. 7. Somit hätten wir es beim Fundstück MI Zb l um den Boden eines Gefässes zu tun, das 54 Liter Getreide gefasst hat.

Anm. 1: Annäherungen an Linear A, Günter Neumann, Floreant Studia Mycenaea", Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, Band II, S. 415
Anm. 2: GORILA IV, S. 71
Anm. 3: GORILA V, S. XXXIX, Nr. 67
Anm. 4: ŠL, S. 459, Nr. 227/3
Anm. 5: GORILA IV, S. 91
Anm. 6: ŠL, S. 741, Nr. 383/8
Anm. 7: FRÜHE, S. 104